Wenige Tage nach dem Anschlag von Istanbul |
Die Türkei greift Ziele in Nordsyrien und im Nordirak an
Eine Woche nach dem tödlichen Angriff in Istanbul kündigte die Türkei eine Militäroffensive gegen kurdische Stellungen im Nordirak und Nordsyrien an. Die Angriffe konzentrierten sich auf die Miliz der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass die türkischen Kampfflugzeuge am Sonntagabend kurdische Stellungen in Nordsyrien angegriffen hätten. Ein Sprecher der Organisation sagte, mindestens 12 Menschen seien getötet und weitere verletzt worden. Nach Angaben der YPG wurden auch Stellungen der syrischen Regierung angegriffen. Die Regionen Kobani und Aleppo waren betroffen.
Das Verteidigungsministerium in Ankara berief sich auf das Recht auf Selbstverteidigung nach der UN-Charta. Es gehe darum, „terroristische Anschläge“ gegen das türkische Volk und die türkischen Sicherheitskräfte zu vermeiden. Am Sonntagabend teilte das Ministerium via Twitter mit, dass die Zeit für eine „Einigung“ gekommen sei.
Der Konflikt zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK hat eine jahrzehntelange Geschichte und forderte bisher tausende Opfer – nach Angaben der International Crisis Group wurde die Mehrheit der PKK-Mitglieder und Verbündeten getötet.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle sind die für die kurdischen Streitkräfte besonders wichtigen Gebiete um die Stadt Kobani inzwischen angegriffen worden. Experten zufolge könnten Ankaras Streitkräfte darauf abzielen, die von ihr besetzten Gebiete mit dem Westen und Osten der Stadt zu verbinden.
Die Luftangriffe erfolgten nur wenige Tage, nachdem die Explosion sechs Menschen in der belebten Istiklal-Straße in Istanbul getötet hatte, was Ankara der YPG und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorwirft. Die Ermittlungen dauern noch an, am Freitag wurden 17 Personen festgenommen.
PKK und YPG streiten jede Beteiligung klar ab und werfen der Türkei vor, einen Vorwand für erneute Militäraktionen in Nordsyrien zu schaffen. Auch unabhängige Experten haben solche Zweifel geäußert, zumal der türkische Präsident Erdogan seit Monaten einen solchen Angriff ankündigt.
Die Türkei hat seit 2016 vier Militäroffensiven in Nordsyrien gestartet, die auch auf die Volksverteidigungseinheiten abzielen. Ankara betrachtet die YPG als Ableger der Untergrundarbeiterpartei Kurdistans (PKK) und betrachtet beide als terroristische Organisationen. Die Vereinigten Staaten von Amerika kooperieren mit den Volksverteidigungseinheiten bei der Bekämpfung von Terrormilizen, stufen die PKK aber als Terroristen ein. Ankara blockiert auch den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands und beruft sich unter anderem auf die angebliche Unterstützung kurdischer Milizen aus beiden Ländern. (dpa, schu)