Ägypten kommt im Nahostkonflikt eine besondere Rolle zu. Das Land versucht zu vermitteln, erntet aber auch Kritik. Was will Kairo wirklich?
Das Wichtigste auf einen Blick
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr US-Amtskollege Antony Blinken waren bereits vor Ort, am Mittwoch traf auch Bundeskanzler Olaf Scholz ein: Ägypten entwickelt sich angesichts des Konflikts zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas zu einem Zentrum der internationalen Politik.
Ägypten ist das einzige arabische Land, das immer wieder als Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern eingesetzt wird – und das seit mehr als 40 Jahren. Mittlerweile ist es auch Anlaufstelle für viele andere am Konflikt beteiligte Länder. Die Regierung in Kairo spricht mit starker, aber auch nicht unumstrittener Stimme. Welche Rolle spielt Ägypten im Nahostkonflikt und welche Ziele verfolgt die ägyptische Regierung? t-online gibt einen Überblick über die Beweggründe eines der wichtigsten Länder der Region.
Warum nimmt Ägypten als arabisches Land überhaupt Beziehungen zu Israel auf?
Ägypten spielt im Konflikt im Nahen Osten eine wichtige Rolle. Das Land liegt an der Grenze sowohl zu Israel als auch zum Gazastreifen. Ägypten ist auch eines der führenden Länder in der arabischen Welt. Und nicht zuletzt haben das nordostafrikanische Land und Israel eine bewegte Geschichte: 1948 beteiligte sich Ägypten am Angriff einer Koalition arabischer Länder auf Israel. Einunddreißig Jahre später erkannte die Regierung in Kairo als erstes arabisches Land den Staat Israel im Rahmen des israelisch-ägyptischen Friedensvertrags von 1979 an.
„Nach 30 Jahren der Feindseligkeit und des Misstrauens ist die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Ägypten zu einem langen Prozess geworden“, gibt das israelische Generalkonsulat in Deutschland auf seiner Website zu. Allerdings treffen sich Diplomaten und Regierungsvertreter regelmäßig und Reisen zwischen den beiden Ländern sind problemlos möglich.
Wie positioniert sich Ägypten im Nahostkonflikt?
Ägypten unterhält Beziehungen sowohl zu Israel als auch zu den Palästinensern. Das Land strebt das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung an. Daher kommt ihm im Nahostkonflikt eine besondere Rolle zu, da nur wenige arabische Länder Israel anerkennen und diplomatische Kontakte zu ihm aufnehmen.
Kairo nutzt seine Kontakte in Jerusalem derzeit vor allem zur Vermittlung, aber auch zur Kritik an Israel. Die Regierung von Präsident Abdel Fattah El-Sisi lud die Bürger am Samstag zu einem Gipfel zum Konflikt im Nahen Osten ein. Dabei werde es unter anderem um „die Zukunft der Palästinenserfrage“ gehen. Bundeskanzler Olaf Schulz kündigte seine Teilnahme an und landete am Mittwoch in Kairo.
Sisi sagte, dass es im Konflikt im Nahen Osten sehr wichtig sei, die Spannungen abzubauen und die Lieferung von Hilfe in den geschlossenen Gazastreifen zu erleichtern. Zu diesem Zweck arbeitet Ägypten mit der Europäischen Union zusammen. Diese Woche soll eine Luftbrücke für Hilfsgüter eingerichtet werden. Diese Raketen sollen Ägypten erreichen und von dort aus in die palästinensischen Gebiete geliefert werden.
Was ist Ägyptens Kritik an Israel?
Besonders kritisch sieht Ägypten die Reaktion Israels auf den Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober. Im Hinblick auf Luftangriffe und einen möglichen Bodenangriff kritisierte Präsident Sisi am Samstag, dass dies über das Recht auf Selbstverteidigung hinausgehe. Die israelische Reaktion kommt einer „kollektiven Bestrafung“ der Palästinenser für die von der Hamas begangenen Gräueltaten gleich.