Am Sonntag finden in der Türkei Wahlen statt – und der Amtsinhaber wird zuschauen Es sieht schlecht aus!
Recep Tayyip Erdogan könnte nach zwanzig Jahren an der Macht abgewählt werden – weil immer mehr Türken, unter anderem wegen der Wirtschaftskrise und seiner katastrophalen Misswirtschaft nach dem Erdbeben im Februar (über 50.000 Tote), seiner überdrüssig sind!
Und: Da sich am „Tisch der Sechs“ (wie die Koalition genannt wird) eine Mischung aus sechs sehr unterschiedlichen Parteien hinter einem Kandidaten zusammengefunden hat:
Kemal Kilicdaroglu (74) – Auf Türkisch richtig geschrieben: Kılıçdaroğlu! Ausgesprochen: „Keledsch-dar-oulu“, wobei das ı ohne Punkt ein Vokal irgendwo zwischen i und ö ist, ähnlich der deutschen Endung „e“ in „bag“).
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Kilicdaroglu ist seit 2010 Vorsitzender der CHP, der größten Oppositionsfraktion im türkischen Parlament. Sie bezeichnet sich selbst als Sozialdemokratie und Kemalist.
Perfektionismus? Damit ist eine Türkei gemeint, in der Religion und Staat getrennt sind, ganz im Sinne des Landesgründers Mustafa Kemal, der sich später Atatürk nannte. Es ist ein Ideal, von dem sich Erdogan in den letzten 20 Jahren immer mehr entfernt hat.
Die Republik Türkei wird dieses Jahr 100 – und Kilicdaroglu will sie vor Erdogans Islamkurs retten. Er will Türkiye auch in die Europäische Union führen.
Sollte er die Wahl gewinnen, will er den Flüchtlingsvertrag mit Deutschland kündigen
Beim Thema Flüchtlinge geht er einen harten nationalistischen Weg: Er sagt, er werde den Flüchtlingsdeal mit Deutschland neu verhandeln. Millionen syrischer Flüchtlinge sorgen für wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Doch sollte er gewinnen, wird es für ihn nicht einfach: Die von ihm angeführte Anti-Erdogan-Koalition ist intern tödlich verfeindet: Zu ihr gehören säkulare Nationalisten, ehemalige Freunde Erdogans und liberale Konservative, die nichts anderes gemeinsam haben als Erdogan will jagen. vor dem Präsidentenpalast.
Kilicdaroglu ist Alevite
Kilicdaroglu stammt aus Ostanatolien, wuchs mit sechs Geschwistern in einem Haus ohne Strom auf und ist Alevite – eine religiöse Minderheit, die sich nicht nur am islamischen Propheten Mohammed, sondern unter anderem auch an seinem Schwiegersohn Ali orientiert Das Alkoholverbot für die Mehrheit des Islam folgt keiner strengen Auslegung.
Einen Aleviten als Präsidenten der Türkei zu haben, wäre eine beeindruckende Premiere – zumal die geschätzten 14 Millionen Aleviten (von 85 Millionen Türken) diskriminiert werden und selten höhere Regierungspositionen bekleiden.
Dieser Umstand bedeutet auch, dass Erdogans Nerven blank liegen. Bei seinen Wahlkampfauftritten beleidigte er Kilicdaroglu als Kandidaten „Säufer“.
Kilicdaroglu blieb bescheiden, sagen seine Anhänger, die ihn für einen „türkischen Gandhianer“ halten.
Auch dank eines Stunts im Jahr 2017: Kilicdaroglu marschierte von der Hauptstadt Ankara ins 420 Kilometer entfernte Istanbul, um gegen die Verhaftung eines Parlamentsabgeordneten seiner Partei zu protestieren. Es dauerte 20 Tage, dies zu tun und dabei ein Transparent hochzuhalten: „Gerechtigkeit“.