Richard David Brechts philosophische Mission

Richard David Brechts philosophische Mission

Über die Frage, was im genuinen Sinn philosophische Fragen seien sollen, ist nicht wenig debattiert worden. Richard David Precht, Talkshow-Gastgeber und Bestsellerautor, hat sie in seinem neuen Buch, das die Weltlage in den Blick nimmt und der deutschen Außenpolitik Winke geben möchte, nun bündig beantwortet. Alle Herausforderungen und Krisen, die sich nicht durch einfache Problemlösungen technischer Art beseitigen lassen, fallen in den Bereich philosophischer Fragen.

Was bei Precht vor allem bedeutet: Sie fallen nicht den Experten zu, denn die werden von ihm im Handstreich auf das naturwissenschaftlich-technische Feld verwiesen, wo sie für glatte Lösungen auf der Basis empirischer Eindeutigkeit zuständig seien. Das hat zwar mit der gängigen Rede von Experten nichts zu tun, und die damit verknüpfte Charakterisierung von wissenschaftlicher Expertise ist wundersam naiv.

Dunkle Niederungen, lichte Höhen

Aber das stört den zu großen Gesten entschlossenen Autor nicht. Er spricht eben nicht als Experte, sondern als Philosoph, der sich aus den Niederungen befreit, in denen „die flatterhaften Gestalten des Zeitgeists, ausgespuckt von der medialen Maschinerie“ ihr Wesen treiben, worunter selbstredend auch überregionale Massenmedien unter der Fuchtel leitender Redakteure gehören. Denn in diesen Niederungen herrschen nur Affekte und das Schielen auf Erfolg. Trotz und Wut regen sich dort, der Wahn regiert, wenn es die engstirnigen, bloß auf Hier und Heute gerichteten Ansichten und Interessen zu verteidigen gilt.

Man ist da wieder beim reizvollen Umstand, dass ein außerordentlich medienwirksamer Talker und Autor nicht davon lassen kann, eine aufs Ganze gehende Medienkritik aufzufahren. Um nämlich die ihm zugänglichen lichten Höhen der unverzerrten Umsicht und Einsicht recht zu akzentuieren. Ganz schopenhauerisch wird einem zumute: Drunten die Wirrsal der in den Lebens- und Meinungskampf verstrickten Akteure und Blätter, darüber schwebend die ruhige Anschauung des Philosophen, der den Lesern bedeutet, dass hier endlich einer auftritt, der die Konsistenz langfristiger Entwicklungen des großen Ganzen im Blick hat und die Fragen vor dem „neutralen Gerichtshof der Vernunft“ prüft.

Ein bisschen Anklang an Kant kann im Jubiläumsjahr nicht schaden. Fügen wir aber vielleicht doch an, dass bei Kant die Vernunft vor diesem Gerichtshof ihre eigenen heiklen Ansprüche verhandelte – eine Feinheit, die anzubringen dem in der medialen Maschinerie gefangenen, vom Affekt geschüttelten Redakteur eines über­regionalen Mediums natürlich gerade recht kommt.

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