Justizreform in der Knesset: Protest draußen, Zustimmung drinnen

Justizreform in der Knesset: Protest draußen, Zustimmung drinnen

Stand: 01.03.2023 17:05 Uhr

Straßensperren, Verletzte und Festnahmen: In Israel werden die Proteste gegen die Justizreform immer heftiger. Trotzdem trieb die herrschende Mehrheit sie in der Knesset voran – die Abstimmung wurde von der Opposition boykottiert.

Begleitet von zunehmend gewalttätigen Protesten im Land hat die von der rechtsreligiösen Regierung in Israel geplante Justizreform weitere Hindernisse aus dem Weg geräumt. Kritiker werfen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, mit dem Gesetzentwurf die demokratische Gewaltenteilung zu untergraben.

Der zuständige parlamentarische Ausschuss hat der sogenannten Suspendierungsklausel jedoch ohne Gegenstimmen zugestimmt. Das Parlament dürfte Gesetze verabschieden, die gegen das Grundgesetz verstoßen. Eine Mehrheit von 61 Abgeordneten kann Entscheidungen des israelischen Obersten Gerichtshofs aufheben. Die Opposition boykottierte diese Abstimmung und andere.

Der Entwurf enthält auch eine Passage, die die Zustimmung von zwölf der 15 Richter des Obersten Gerichtshofs erfordern würde, um verfassungswidrige Gesetze niederzuschlagen. Der ursprüngliche Entwurf erforderte die Einstimmigkeit aller 15 Richter. Der Gesetzentwurf kann nun dem Plenum des Parlaments vorgelegt werden. Die Opposition boykottierte die Abstimmung im Ausschuss.

Das Parlament stimmte in der vorläufigen Lesung auch mit großer Mehrheit für die Verhängung der Todesstrafe gegen Terroristen und einen Gesetzesentwurf, der den Generalstaatsanwalt oder den Obersten Gerichtshof daran hindern würde, den Ministerpräsidenten gewaltsam zu suspendieren. Nach dem Entwurf kann der Ministerpräsident nur auf zwei Arten seines Amtes enthoben werden: durch Rücktritt oder durch eine Dreiviertelmehrheit der Minister, die von einer Mehrheit von mindestens 90 Abgeordneten bestätigt wird.

Abgesperrte Straße in Tel Aviv: Reformgegner fürchten die Gewaltenteilung.

Foto: Reuters

Bei gewalttätigen Protesten verletzt und festgenommen

Bei den landesweiten Protesten gegen die Justizreform kam es israelischen Medienberichten zufolge zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei. Die Einsatzkräfte setzten Tränengas und Blendgranaten gegen Demonstranten ein, die die Autobahn von Tel Aviv blockierten. Nach Angaben der Polizei wurden die Beamten aus der Menge mit Steinen und Flaschen beworfen. Nach israelischen Medienberichten wurden mehrere Menschen verletzt und mindestens 39 Personen festgenommen.

An Bahnhöfen in Tel Aviv verhinderten Demonstranten die Abfahrt von Zügen, indem sie die Türen absperrten. Die größten Versammlungen sind später vor dem israelischen Parlament, der Knesset, und in der Nähe von Netanjahus Haus geplant.

Der ultranationalistische Heimatschutzminister Itamar Ben Gvir hatte die Demonstranten als Anarchisten bezeichnet und die Polizei aufgefordert, alle Arten von Blockaden abzubauen. Auf der anderen Seite rief Oppositionsführer Jair Lapid die Polizei zur Zurückhaltung auf. „Die Demonstranten sind Patrioten“, schrieb er auf Twitter. Sie kämpfen für die Rechte auf Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie.

Frieden ist vorbei – Israelische Polizei geht gegen Demonstranten vor

Bettina Meyer, ARD Tel Aviv, 01.03.2023 17:37 Uhr

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