Albanien stimmt für das umstrittene Migrationsabkommen mit Italien

Albanien stimmt für das umstrittene Migrationsabkommen mit Italien

Stand: 22. Februar 2024 um 16:23 Uhr

Italien kann künftig Flüchtlinge in Asylzentren in Albanien unterbringen. Das Parlament in Tirana hat dem umstrittenen Migrationsabkommen zugestimmt. Menschenrechtler kritisieren das Projekt als „unmenschlich“ und „illegal“.

Wie erwartet hat das albanische Parlament dem umstrittenen Migrationsabkommen mit Italien zugestimmt. Damit könnten Menschen, die von den italienischen Behörden im Mittelmeer an Bord genommen wurden, künftig nach Albanien gebracht werden. Dort werden ihre Asylanträge in von Italien betriebenen Flüchtlingslagern geprüft und bei Bedarf eine schnelle Rückkehr in ihre Herkunftsländer ermöglicht.

Das Parlament in der albanischen Hauptstadt Tirana stimmte dem Gesetz mit den Stimmen der regierenden Sozialistischen Partei unter Premierminister Edi Rama und der kleineren Partei PDIU zu. 77 von 140 Abgeordneten stimmten dafür. Die rechte Opposition boykottierte die Abstimmung und erklärte hinterher, dass das Abkommen „der nationalen Sicherheit, der territorialen Integrität und dem öffentlichen Interesse“ schade.

„Lastenteilung mit der Europäischen Union“

Andererseits sagte Rama, es handele sich um eine „Lastenteilung“ mit der Europäischen Union, deren Wirkungsbereich „über die traditionellen Links-Rechts-Spaltungen hinausgeht“. Er bezeichnete das Abkommen als eine Geste der „Solidarität“ mit Italien, das nach dem Sturz der kommunistischen Regierung Anfang der 1990er Jahre Tausenden Albanern die Einreise in das Land ermöglicht habe.

Auch das Verfassungsgericht von Tirana stimmte dem Plan zu. Es stellte fest, dass die italienische Gerichtsbarkeit in den Zentren die Souveränität Albaniens nicht verletzte. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterstützte den Plan. Albanien ist seit 2014 Kandidat für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union.

Italien erwartet, jährlich 36.000 Einwanderer aufzunehmen

Ein von Stacheldraht umgebenes Zentrum in der Küstenstadt Shengjin soll erstmals zur Aufnahme von Migranten genutzt werden. Dort werden die ersten ärztlichen Untersuchungen und die erste Prüfung der Asylchancen der Migranten durchgeführt.

Von Shengjin aus werden die Menschen sieben Kilometer landeinwärts zu einem Zentrum in Gadir transportiert, das maximal 3.000 Menschen gleichzeitig aufnehmen kann. Nach italienischen Angaben werden dort jedes Jahr 36.000 Migranten untergebracht. Italien muss die Zentren verwalten, auf Sicherheit achten und alle Kosten tragen. Albanien sollte bei der äußeren Sicherheit helfen.

Rom erklärte, Italien wolle keine „besonders gefährdeten“ Menschen in Flüchtlingslagern unterbringen, etwa unbegleitete Minderjährige, schwangere Frauen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder Opfer von Menschenhandel. Diese Zentren sind auch nicht für Migranten gedacht, die mit Booten italienische Küsten erreichen oder von zivilen Seenotrettern abgeholt werden – sondern nur für diejenigen, die von italienischen Behörden in internationalen Gewässern vor der Küste Italiens an Bord genommen werden.

Menschenrechtsaktivisten Angst vor rechtswidriger Inhaftierung

Menschenrechtler kritisieren diese Pläne. Sie bemängeln unter anderem, dass es sich bei dem Projekt um illegale Inhaftierungen handele. Darüber hinaus habe Rama intransparent agiert und die Pläne in Albanien zuvor nicht öffentlich besprochen. Das International Rescue Committee (IRC) kritisierte das Abkommen und nannte es „entmenschlichend“, während Amnesty International es als „illegal und nicht durchsetzbar“ bezeichnete.

In Italien haben beide Kammern des Parlaments dem Migrationsabkommen bereits zugestimmt. Das Land hat auch andere EU-Länder um Unterstützung gebeten, um die steigende Zahl ankommender Migranten zu bewältigen. Nach Angaben des Innenministeriums in Rom ist die Zahl der ankommenden Migranten im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr erreichten rund 155.750 Migranten die italienische Küste, darunter mehr als 17.000 unbegleitete Minderjährige.

Oliver Soess, ARD Wien, Tagesschau, 22. Februar 2024, 16:44 Uhr

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