Millionen Menschen leben unter dem Schutz des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA). Doch wenn das nicht ausreicht, könnten laut Europäischem Gerichtshof auch staatenlose Palästinenser in der Europäischen Union als Flüchtlinge anerkannt werden.
Wenn Palästinenser in der EU Asyl beantragen, galt bisher nach EU-Recht Folgendes: Stehen sie unter dem Schutz des Flüchtlingshilfswerks UNRWA, haben Palästinenser grundsätzlich keinen Anspruch auf EU-Flüchtlingsschutz. Dies steht im Artikel 12 der sogenannten Qualifikationsrichtlinie von 2011.
Allerdings gibt es von dieser Regelung eine wichtige Ausnahme, wie der Europäische Gerichtshof heute erneut klarstellte: Wenn UNRWA keinen „Schutz und Beistand“ leisten kann, können Palästinenser in der EU dennoch als Flüchtlinge anerkannt werden.
Gericht: Riesig Verschlechterung Die Lebensbedingungen
Wann diese Ausnahme von der Regel greift, entscheidet auch der Europäische Gerichtshof. Dies liegt vor, wenn das Flüchtlingshilfswerk UNRWA den Menschen in seinem Zuständigkeitsbereich keine „menschlichen Lebensbedingungen“ und „ein Mindestmaß an Sicherheit“ bieten kann.
Die europäischen Richter bestätigen ausdrücklich, dass sich die Lebensbedingungen im Gazastreifen seit Beginn des Krieges „in einem beispiellosen Ausmaß verschlechtert“ haben.
Gegenwärtig Die Sicherheitslage In Gaza ist es von entscheidender Bedeutung
In diesem konkreten Fall beantragten eine palästinensische Mutter und ihre minderjährige Tochter im Jahr 2018 in Bulgarien Asyl. Das bulgarische Gericht muss sich nun an die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs halten und die katastrophale humanitäre Lage berücksichtigen, die derzeit im Gazastreifen herrscht bei der Entscheidung über den Asylantrag.
Aufgrund der dortigen Lebensbedingungen und der Tatsache, dass UNRWA den Palästinensern in Gaza kaum ausreichenden Schutz bieten kann, haben sich die Asylmöglichkeiten für Gaza-Bewohner in der Europäischen Union zumindest auf dem Papier deutlich erhöht.
Das Urteil hat europaweite Auswirkungen
Das EU-Recht sieht weitere Ausnahmen vor, wenn es keinen Schutz für Palästinenser gibt. Beispielsweise, wenn sie als Mitglieder der Hamas Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein anderes schweres Verbrechen begangen haben.
Doch für die Mehrheit der Palästinenser im Gazastreifen muss die neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur in Bulgarien, sondern in allen Ländern der Europäischen Union berücksichtigt werden. Auf dieser Grundlage soll es für Menschen aus Gaza, denen die Flucht in die EU gelungen ist, erleichtert werden, Flüchtlingsschutz zu erhalten.
Max Bauer, SWR, Tagesschau, 13. Juni 2024, 12:00 Uhr